Aufarbeitung Armee und Homosexualität

Fragen & Antworten (FAQ)

POSTULAT UND FORSCHUNGSAUFTRAG

Am 9. März 2022 hat der Nationalrat das Postulat 21.4220 der Nationalrätin und Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf mit dem Titel "Aufarbeitung und Anerkennung des Unrechts, das Homosexuellen in der Armee zugefügt worden ist" angenommen und an den Bundesrat überwiesen.

Der vollständige Postulatstext lautet: "Der Bundesrat wird eingeladen, das Unrecht, das Homosexuellen und anderen Minderheiten in der Armee zugefügt worden ist, in einem Bericht aufzuarbeiten, begangenes Unrecht anzuerkennen und geeignete Formen der Wiedergutmachung zu prüfen."

Der Bundesrat empfahl das Postulat zur Annahme, und Bundespräsidentin Viola Amherd, Chefin des VBS, und die Armee begrüssen die Aufarbeitung. Aufgrund der lückenhaften Datenlage wurde die Dauer für die Bearbeitung des Postulats deshalb von den üblichen zwei Jahren auf vier Jahre erhöht.

Das Forschungsteam untersucht in den kommenden vier Jahren (2024-2027), ob und inwiefern homosexuelle oder als homosexuell wahrgenommene Personen in der Schweizer Armee zwischen 1942 und 2020 Diskriminierung erfahren haben und welche Folgen dies für die Betroffenen hat(te). Dabei geht es nicht nur um Personen, die sich als homosexuell identifizieren: Auch die Erfahrungen von Männern und Frauen, welche gleichgeschlechtliche Sexualität oder Beziehungen leb(t)en, sich aber nicht als homosexuell definier(t)en, sollen in die Studie einfliessen, ebenso wie die Erfahrungen von Angehörigen anderer sexueller und geschlechtlicher Minderheiten.

Weiter soll erhoben werden, ob und in welcher Form aus Sicht der Betroffenen eine Wiedergutmachung angezeigt ist. Schliesslich werden Empfehlungen dazu ausgearbeitet, wie allfällige Diskriminierungen aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität in der Armee weiter abgebaut und künftig verhindert werden können.

Der Untersuchungszeitraum orientiert sich an zwei politischen Wendepunkten:

1942

1942 trat das erste gesamtschweizerische zivile Strafgesetzbuch in Kraft, welches homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen weitgehend legalisierte. Im Militärstrafgesetz aber blieben homosexuelle Handlungen noch bis 1992 strafbar. Dieser gesetzliche Unterschied hatte mutmasslich Auswirkungen auf die Erfahrungen homosexueller Personen in und mit der Armee.

Weiter besteht für die Phase des Zweiten Weltkriegs bereits von Thierry Delessert aufgearbeitetes Wissen zum Thema Homosexualität und Schweizer Armee. Das aktuelle Forschungsprojekt soll an diese Forschung anschliessen.

2020

2020 wurde die sexuelle Orientierung explizit in das Diskriminierungsverbot im Schweizerischen Strafgesetzbuch und das Militärstrafgesetz aufgenommen. Wer heute in der Schweiz Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, macht sich strafbar.

Im Verlaufe der Forschung sollen innerhalb dieses langen Zeitraums gewisse Perioden definiert werden, welche genauer untersucht werden.

Für die Untersuchung werden Archivmaterialien ausgewertet und Gespräche mit Betroffenen und weiteren Zeitzeug:innen sowie mit Fachpersonen aus Wissenschaft, Armee, Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen geführt.

Die Befragung von Betroffenen und weiteren Zeitzeug:innen ist für den Erfolg der Studie entscheidend, denn die Archivarbeit wird an Grenzen stossen: Bei vielen Dokumenten ist die Aufbewahrungsfrist abgelaufen, andere sind nicht zugänglich, und Vieles wurde aufgrund der Tabuisierung des Themas nicht oder nur codiert schriftlich festgehalten.

Es werden folgende Forschungsaktivitäten durchgeführt:

Archivrecherche

Recherche und Analyse von relevanten historischen Quellen (z. B. Gerichts-, Straf- oder Gesundheitsakten, Dienstanweisungen und interne Richtlinien der Armee, usw.).

Oral History

Interviews mit Zeitzeug:innen, also mit Personen, welche Erfahrungen gemacht haben zum Umgang der Armee und Homosexualität:

  • Selbst von Homophobie betroffene Personen.
  • Personen, die diskriminierende Ereignisse beobachtet oder 'mitbekommen' haben, zum Beispiel Kamerad:innen, militärische Vorgesetzte, Ärzt:innen, Lebenspartner:innen, Familienmitglieder oder Bekannte von homosexuellen Personen.
     

Expert:inneninterviews

Interviews mit militärischen oder zivilen Fachpersonen, welche Hinweise oder fachliches Wissen beitragen können zum Umgang der Schweizer Armee mit Homosexualität im untersuchten Zeitraum (z.B. Ombudsstellen, Armeeseelsorge, Armeeauditor:innen, Militärärzt:innen, NGO-Vertretende, etc.).

Diese Daten werden analysiert und die Ergebnisse in einem Forschungsbericht festgehalten.

Ja, die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Forschung ist vertraglich festgehalten. Das bedeutet auch, dass die Armee keinen Zugang zu den erhobenen Daten hat – sie erhält nach Abschluss der Forschung lediglich den vollständig anonymisierten Forschungsbericht. Im Vertrag ist festgeschrieben: "Nach Abschluss des Forschungsmandats stellt die Auftragnehmerin [Universität Bern] der Bedarfsstelle [Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity FiAD] den Forschungsbericht inklusive Anhänge zu. lnterview-Transkripte, Anonymisierungsschlüssel sowie weitere Dokumente oder Daten, die möglicherweise de-anonymisierende Hinweise auf die befragten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geben, sind nicht Bestandteil des Forschungsberichts und gehen nicht an die Bedarfsstelle."

Für die Bearbeitung des Postulats zuständig ist das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Das Vertragsverhältnis für den Forschungsbericht besteht zwischen der Universität Bern und dem Bundesamt für Rüstung (armasuisse). Die direkte Ansprechpartnerin (die sogenannte Bedarfsstelle) des Forschungsteams bei der Armee ist die Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity (FiAD)

Verteidigungsministerin Viola Amherd, die Armeeführung und die für das Forschungsprojekt zuständige Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity (FiAD) haben dem Projekt explizit ihre volle Unterstützung zugesichert. FiAD ist vertraglich verpflichtet, dem Forschungsteam die nötige Unterstützung zukommen zu lassen für eine erfolgreiche Bearbeitung des Postulats.

Ja, der unabhängige Forschungsbericht wird nach Abschluss des Forschungsprojekts veröffentlicht.

Die Reaktion des Bundesrates hängt von den Ergebnissen des Forschungsberichts ab. Sollte der Bericht zum Schluss kommen, dass es in der Armee in der Vergangenheit systematische Diskriminierungen aufgrund von Homosexualität gegeben hat, könnten zum Beispiel Massnahmen zur Wiedergutmachung erwogen werden. Solche Entscheidungen sind jedoch politischer Natur und liegen ausserhalb des Aufgaben- und Kompetenzbereichs des Forschungsteams.

Die geplante Gesamtdauer der Untersuchung beträgt vier Jahre, 2024 bis 2027.

Sollte das Forschungsteam feststellen, dass der Zugang zu relevanten Archiven, Dokumenten oder Informationen aus nicht nachvollziehbaren Gründen verweigert oder behindert wird, findet dies im Abschlussbericht Erwähnung.

INTERVIEWS

Die Interviews finden gemäss Ihrem Wunsch an der Universität Bern, bei Ihnen zu Hause oder an einem anderen geeigneten Ort statt.

Im Interview werden wir Sie bitten, uns von Ihren persönlichen Erfahrungen mit der Armee und im Militär zu erzählen. Ausserdem erheben wir am Schluss des Gesprächs einige allgemeine Angaben wie z.B. Ihr Alter oder Ihre Ausbildung.

Ein Gespräch dauert so lange, wie Sie erzählen möchten – das kann eine halbe oder zwei Stunden sein. Wir sichern Ihnen ein respektvolles Gesprächsklima zu. Sie können Fragen jederzeit unbeantwortet lassen und können das Gespräch jederzeit ohne Begründung abbrechen.

Mit Ihrem Einverständnis zu Beginn des Interviews wird das Gespräch aufgezeichnet (nur Ton, kein Bild).

Wir sprechen fliessend Schweizer- und Hochdeutsch, Französisch, Italienisch und Englisch. Die Interviews können in allen genannten Sprachen geführt werden.

Ja – Sie können Ihre Erfahrungen auch per Telefon, E-Mail oder über dieses Kontaktformular mit uns teilen. Alle Kontaktinformationen dazu finden Sie in der Rubrik 'Kontakt'.

Ja, es zählen alle Vorfälle, von alltäglichen diskriminierenden Äusserungen bis hin zu Belästigung, Gewalt oder Diskriminierung bei der Rekrutierung oder der Beförderung – sowie alle weiteren Vorfälle und deren Folgen für die Betroffenen.

Ja. Die Forschung zielt auf ein ganzheitliches Bild des Umgangs der Armee mit Homosexualität ab – Ihre Aussage ist deshalb ebenfalls sehr wertvoll für die Studie.

Ja, Ihre Aussage ist sogar sehr wichtig. Aussagen von allen Personen, welche im Armeekontext Homophobie erfahren haben, sind von Interesse, auch wenn diese Personen sich selber nicht als homosexuell bezeichne(te)n und/oder keine homosexuellen Handlungen vorlagen.

Ja, die Erfahrungen von Angehörigen aller sexueller und geschlechtlicher Minderheiten sollen in den Bericht einfliessen.

Ja, erzählen Sie uns in diesem Fall einfach das, woran Sie sich erinnern können.

Die Entscheidung für ein Gespräch mit uns liegt bei Ihnen. Vielleicht können Sie sich mit einer nahestehenden Person oder einer psychologischen Fachperson austauschen, um zur Entscheidung zu kommen, die für Sie stimmt.

Wir sichern Ihnen ein respektvolles Gesprächsklima zu. Sie können Fragen jederzeit unbeantwortet lassen und können das Gespräch jederzeit ohne Begründung abbrechen. Ihre Aussage wird vollständig anonymisiert.

Wenn Sie das Thema im Vorfeld des Gesprächs oder nach dem Gespräch nachhaltig beschäftigt oder belastet, können Sie sich jederzeit an uns wenden für die Vermittlung zu professionellen Beratungsstellen. Einige Kontakte finden Sie hier.

Sie können uns per E-Mail, Post, Telefon oder per Kontaktformular kontaktieren. Alle Informationen dazu finden Sie in der Rubrik 'Kontakt'.

ANONYMISIERUNG UND AUFBEWAHRUNG DER DATEN

Ja, alle Aussagen, Angaben und Dokumente von interviewten Betroffenen und weiteren Zeitzeug:innen, welche für den Bericht verwendet werden, werden vollständig anonymisiert.

Aktuell berufstätige militärische oder zivile professionelle Fachpersonen werden – ausser ausdrücklich anders gewünscht – nicht anonymisiert und im Anhang mit Namen und Funktion aufgeführt. Ehemalige militärische oder zivile Fachpersonen werden anlässlich des Interviews nach ihrer Präferenz bezüglich Anonymisierung gefragt.

Alle persönlichen Aussagen, Angaben und Dokumente (Interviewaufnahmen und Transkripte, Gesprächsnotizen, ggf. Gesundheitsdossiers, etc.) werden auf einem sicheren Server in der Schweiz gespeichert. Die Daten werden vertraulich behandelt und im Falle einer Verwendung im Forschungsbericht anonymisiert.

Ausschliesslich das Forschungsteam hat Zugriff auf die Daten. Die Armee hat keinen Zugang zu den Daten. Sie erhält nach Abschluss der Forschung lediglich den vollständig anonymisierten Forschungsbericht. Im Vertrag ist festgeschrieben: "Nach Abschluss des Forschungsmandats stellt die Auftragnehmerin [Universität Bern] der Bedarfsstelle [Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity FiAD] den Forschungsbericht inklusive Anhänge zu. lnterview-Transkripte, Anonymisierungsschlüssel sowie weitere Dokumente oder Daten, die möglicherweise de-anonymisierende Hinweise auf die befragten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geben, sind nicht Bestandteil des Forschungsberichts und gehen nicht an die Bedarfsstelle."

Weitere Angaben zum Personendatenschutz finden Sie hier.

Nach Abschluss des Forschungsprojekts werden die Daten und Materialien – mit Ausnahme klassifizierter Dokumente der Armee – einem etablierten Archiv mit langen Schutzfristen für personenbezogene Daten übergeben (bspw. Bundesarchiv, Sozialarchiv). Die Daten stellen wertvolle Zeitzeugnisse dar und sollen auf diese Weise für künftige Forschung erhalten bleiben.

Anlässlich des Interviews erhalten Sie weitere Informationen zur Archivierung. Danach können Sie im Rahmen einer Einwilligungserklärung der langfristigen Archivierung zustimmen oder eine solche ablehnen.